Georg Schelbert: Von den Fotoboxen ins Wissensnetz – noch ein Jahr bei „kunst.bild.daten“

Einst standen sie ausschließlich in geordneten Fotokästen: Abbildungen von Bauwerken und Kunstwerken, sortiert nach Orten und Namen – wie in einer riesigen analogen Landkarte der Kunst. Jetzt werden sie aus der statischen Struktur in ein vernetztes digitales System überführt, das neue Zusammenhänge sichtbar macht. So wird aus einem Archiv vergangener Epochen ein Werkzeug für die Forschung von morgen – und für alle, die neugierig auf Kunst und ihre (Medien-)Geschichte sind.

Mit der Initiative kultur.digital.strategie unterstützt das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst seit einigen Jahren Projekte, die Strategien und digitale Infrastrukturen für Wissenschafts- und Kultureinrichtungen entwickeln. Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte war bereits in der ersten Förderrunde (ab 2021) mit MunichArtToGo erfolgreich – einer App, die Texte und Bilder zu Orten, Bauten und Persönlichkeiten des Münchner Kunstlebens mobil zugänglich macht.

Seit Ende 2023 läuft nun die zweite Förderphase – diesmal mit einem Vorhaben des Zentralinstituts, das zum Ziel hat, die Infrastruktur der Photothek neu aufzustellen und einen globalen Zugriff auf den bislang nur zu einem kleinen Teil über Google Arts&Culture online veröffentlichten Fotobestand zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden bereits vorhandene und zu erstellende Digitalisate, vor allem die fast 700.000 Objekte umfassenden Kataloginventare, zusammengeführt und über eine einheitliche Rechercheumgebung zugänglich gemacht: „kunst.bild.daten“.

Ordnung für die Fachwelt – in engen Grenzen

Die Photothek des ZI wurde ursprünglich mit dem Ziel aufgebaut, systematisch Bildmaterial zum kunsthistorischen Fachkanon und aktuellen Forschungsschwerpunkten zu sammeln. Ihre analoge Ordnung folgt einem klaren und kunsthistorisch etablierten System: Bauwerke werden topografisch, Kunstwerke nach Künstler*innennamen geordnet. Objekte ohne klare Zuordnung wie anonymes Kunsthandwerk oder hybride Gattungen stellen das System vor Herausforderungen und machen dessen Grenzen sichtbar. Sieht man einmal von zusätzlichen Katalogen, Verweiszetteln und ähnlichem ab, gibt es für jedes Foto in einem analogen Bildarchiv genau einen Platz und damit genau einen Zugangsweg

Schwerlastenregal mit grünen Pappschubern. Auf den Rücken der Schuber sind Etikette aufgeklebt.
Typische Anordnung des Materials in kunsthistorischen Fototheken: Sortierung nach Orten oder Künstler*innennamen in alphabetischer Reihenfolge. Ein Objekt kann immer nur an genau einem Platz stehen (Photothek des ZI, Foto: G. Schelbert)


Um die letztlich nicht befriedigende Enge der Ordnung zu erweitern, wurden Sonderabteilungen wie Kunsthandwerk oder Buchmalerei gebildet. Noch weiter verkomplizierte sich die Situation durch fortlaufend hinzukommende Bestände, vor allem Nachlässe und Schenkungen. Deren vorhandene Struktur, die früher nur in Ausnahmefällen erhalten blieb – wenn eine Sammlung einen klar abgegrenzten und zugleich in sich gut geordneten Bestand bildete, etwa die Kunsthandwerk-Fotografien von Erich Meyer (1897–1967) oder die Buchmalerei-Reproduktionen von Albert Boeckler (1892–1957) –, sollen nun grundsätzlich nicht mehr aufgelöst werden.

Die grundlegende Motivation für die Beibehaltung ursprünglicher Strukturen liegt darin, dass analogen Fotografien heute eine Bedeutung zukommt, die über die bloße Abbildung hinausgeht und beispielsweise auch wissenschaftsgeschichtliche oder technikgeschichtliche Aspekte umfassen. Uns interessiert heute, wer die Fotos besessen und geordnet hat, und ebenso, in welchem Kontext sie verwendet wurden. Aus diesem Grund werden nicht mehr nur Fotonachlässe übernommen, sondern ebenso Begleitmaterialien wie Aufnahmelisten, Korrespondenzen, Arbeitsnotizen u. a. In einzelnen Fällen sind Fotografien nur ein Teilbestand eines Konvoluts, wie etwa die Unterlagen der Kunsthandlung Julius Böhler in München, die zusammen mit Verkaufs- und Kundenkarteien Grundlage eines eigenen Forschungsprojekts bildeten.

Da es sich längst nicht mehr nur um eine Bildstelle handelt, sondern in der Photothek unterschiedliche Quellenmaterialien zusammenkommen, heißt die Abteilung folgerichtig „Photothek / Sammlungen“ und bildet außerdem mit dem Arbeitsgebiet Digital Humanities eine größere Einheit, die die Aufgabe besitzt, Konzepte und Umsetzungen für die analoge und digitale Bereitstellung von bildlichen und textlichen Quellen- und Forschungsmaterialien zu realisieren.

Paradigmenwechsel Digitalisierung

Im digitalen Raum entfällt der Zwang zu einer starren Ordnung. Bild- und Textdaten können nach verschiedenen Kriterien gefiltert und geordnet werden: etwa nach Entstehungsjahr, Fotografin oder Fotograf, Vorbesitz, Technik oder Standort. Digitalisierung und Internet ermöglichen daher nicht nur die permanente und ubiquitäre Verfügbarkeit, sondern eine Erweiterung des Zugriffs auf Daten hinsichtlich der Auswahl, Anordnung und Darstellung der Gegenstände. Hinzu kommt, dass Daten künftig nicht nur oder in erster Linie über Suchmasken und Downloads händisch abgerufen werden, sondern auch maschinell – etwa über Schnittstellen für Forschungsvorhaben, die Daten automatisch weiterverarbeiten, bspw. um sie mit weiteren Datenbeständen zu vergleichen.

Das Konzept des Projekts kunst.bild.daten ist bemüht, die Nachhaltigkeit, Transparenz und Eignung von Daten für Forschungskontexte zu fördern. So stellt das Projekt die (vorhandenen) Daten in den Mittelpunkt, nicht Software oder zentrale Anwendungen. Neben der Digitalisierung und Datenextraktion steht daher zunächst das Poolen von Daten (Erzeugung eines Data Lake) im Vordergrund. Die historisch gewachsenen Teildatenbestände der Photothek sind in ihrer Heterogenität in dieser ersten Projektphase kaum für eine zentrale Anwendung zu vereinheitlichen, sondern sollen erst einmal schrittweise analysiert und strukturiert werden.

Seerosen auf einem blauen Gewässer, Gemälde.
Data Lake: Pool, Teich und See als Metaphern für die vereinigte Datenmenge: Claude Monet, Seerosenteich 1906, The Art Institute of Chicago, IL, Mr. and Mrs. Martin A. Ryerson Collection, 1933.1157 (CC0 Public Domain Designation)

Als gegebenes Material stammen die Daten aus unterschiedlichen Quellen. Das waren in der Vergangenheit händisch gepflegte Daten in Tabellenform wie Excel oder Datenbanksysteme unterschiedlicher Ausprägung (z.B. Hida, APS oder Wisski). Dazu treten jetzt Daten, die durch Buchstabenerkennung (OCR) und deren Interpretation mit künstlicher Intelligenz (KI), aus den historischen Inventaren gewonnen wurden. Das über Jahrzehnte maschinenschriftlich geführte Kataloginventar verzeichnet fast 700.000 Fotos von 1947 bis 1999 und nennt zumeist nicht nur die abgebildeten Bauten und Kunstwerke, deren Autorschaft, Ikonografie, Datierung, Sammlung oder Inventarnummern, sondern auch Fotografinnen und Fotografen und die Herkunft des Fotos.

Diese Informationen sind der Schlüssel zum Verständnis der Struktur der Sammlung, ihrer Provenienzen und den damit verbundenen Forschungskontexten. Daher haben wir der Verarbeitung dieses Inventars im Projektverlauf eine besondere Priorität eingeräumt und geeignete Digitalisierungsverfahren entwickelt, die in einem weiteren Beitrag genauer vorgestellt werden.

Von Daten zu Strukturen und Vernetzung

Die Daten werden zunächst in ihrer ursprünglichen Struktur gespeichert. Bereits auf dieser Datengrundlage können Datenanalysen oder maschinelles Lernen greifen. Darüber hinaus können die Daten gezielt für die weitere Verarbeitung remodelliert, angereichert und verändert werden.

Auf der Ebene der gepoolten Daten handelt es sich fast ausnahmslos um „flache“ Fotoerfassungen, d.h. für jedes Fotoobjekt in der Sammlung gibt es einen Datensatz, in dem sich gleichermaßen Angaben zum Foto wie zum abgebildeten Gegenstand, dem Kunst- oder Bauwerk finden. Eine Erschließung, die für die kunsthistorische Forschung nützlich sein soll, muss hingegen auch die abgebildeten Werke in strukturierter Weise erfassen. Das geschieht durch weitere Transformationen und Nachverarbeitung der Daten, sowie den Abgleich mit einschlägigen Normdaten (GND, Wikidata) und führt zu Informationsbündeln, die für einen eigenständigen kunsthistorischen Knowledge Graph in Form einer Wikibase tauglich sind. Dieser wird als Wissensbasie, die auch von anderen Forschungsvorhaben genutzt bzw. angereichert werden kann, eine zentrale Rolle im zukünftigen Datenkonzept spielen.

Das Projekt ist ein gutes Stück weit ein exploratives Projekt. Wir loten zunächst aus, inwieweit vorhandene oder maschinell aus analogen Beständen erzeugte Daten in einer bisher nicht gekannten Weise zusammengeführt und in verschiedenen Schritten durchsuchbar gemacht, kontrolliert sowie bereinigt und schließlich neu strukturiert werden können. Idealerweise sollen die in der Photothek (und anderswo) im ZI gelagerten Bilder und Dokumente nicht nur nach klassischen Bildgegenständen befragt werden können, sondern ebenso nach der Herkunfts- und Nutzungsgeschichte dieser Dokumente, einschließlich der Fotografie- und Mediengeschichte, oder nach dem Forschungsstand und -geschichte des jeweiligen Themenfeldes. Gleichzeitig arbeiten wir daran, eine Infrastruktur einzurichten, die die Pflege und Erweiterung des eigenen Datenbestands ermöglicht, zugleich aber mit anderen fachbezogenen Wissensbeständen derart verbunden ist, dass keine unproduktiven Datensilos oder überflüssige Doppelungen entstehen. Welche Herausforderungen hier begegnen und welche Lösungswege wir hier beschreiten, werden wir in weiteren Beiträgen darstellen.

Dr. GEORG SCHELBERT ist Leiter der Photothek/Sammlungen und Digital Humanities am ZI. Er leitet das Projekt kunst.bild.daten.

Jara Lahme über das Oktoberfest in der Münchner Kunstgeschichte

In diesem Jahr, 2025, findet das Oktoberfest zum 190. Mal in München statt. Das weltweit bekannte Volksfest auf der Theresienwiese wird sowohl von den Bayern selbst als auch von den zahlreichen Besuchenden als der Inbegriff bayerischer Kultur verstanden. Dennoch ist es ungewöhnlich, dass sich in der kürzlich in die Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte überführten ehemaligen Glasdia-Lehrbildsammlung des Kunstgeschichtlichen Seminars der LMU München auch eine umfangreiche Themengruppe zum Oktoberfest befindet.

Innerhalb der Abteilung München, eine Sektion der ehemaligen Glasdia-Sammlung, schließt an prestigeträchtige und kanonbildende Werkkomplexe, wie Residenz, Schloss Nymphenburg oder Schloss Schleißheim eine Kategorie nur zum Oktoberfest an. Die Sektion „München 131“ umfasst Glasdias von künstlerischen Arbeiten wie Gemälde, Stiche und Lithografien des Oktoberfests im Zeitraum von 1810 bis 1887 und die Sektion „München 132“ beinhaltet fotodokumentarische Aufnahmen der 1910er- und 1920er-Jahre. Die aufeinanderfolgenden Nummern antizipieren den Schwerpunkt einer zeitlichen Entwicklung des Oktoberfests und weniger ein architektur- oder objektbezogenes kunsthistorisches Erkenntnisinteresse, wie es in den anderen Themengruppen überwiegend verfolgt wurde.

Die 8,5 x 10 cm großen Dias setzen sich aus einer Diapositiv-Platte zusammen, auf der eine Kontaktkopie eines Negativs erzeugt wurde. Die Fotoschicht wird durch ein Deckglas geschützt, das wiederum mit der Positivplatte an den Rändern mit Papierstreifen verklebt ist, die Platz für Beschriftungen bieten. Dass diese Papierstreifen, die an den Ecken dicker sind, bei einigen der Dias vom Hineinschieben in die Projektoren abgerieben sind, zeigt, dass diese Dias zumindest einige Male benutzt wurden.

Die Fotografien sind vorrangig aus der Perspektive der Besuchenden entstanden und zeigen Blicke in die Hauptstraße sowie auf die Zelte, Attraktionen, Schaustellende und Menschen. Ein Teil der Aufnahmen scheint aus einer Serie eines Fotografen zu stammen, da mehrere Dias mit einer Datierung von 1928 versehen sind und jeweils ähnliche Bildausschnitte zeigen. Gemeinsam mit den weiteren Stichen, Malereien und Fotografien von 1810 bis in die 1920er-Jahre, lässt sich die Wandlung des Volksfestes gut nachvollziehen.

Von einer Hochzeit zum weltbekannten Volksfest

Der Grundstein des heutigen Oktoberfests wurde in Form eines Pferderennens gelegt, welches am 17. Oktober, dem letzten Tag der fünftägigen Hochzeit des Kronprinzen Ludwig von Bayern (1786–1868), dem späteren König Ludwig I., und der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854) im Jahr 1810 ausgerichtet wurde. Der Austragungsort, eine Wiesenfläche außerhalb der Stadt, wurde zu Ehren der Prinzessin als „Theresienwiese“ benannt. Die damit begründete Tradition eines Volksspektakels wurde in den darauffolgenden Jahren zunächst vom „Landwirtschaftlichen Verein in Baiern“ ausgerichtet und avancierte schnell zum nationalen Landwirtschaftsfest. Wenige Jahre später übernahm 1819 die mittlerweile selbstverwaltete Stadt München die Organisation und Finanzierung des Volksfestes, wie es bis heute der Fall ist (Dering, Florian/Eymold, Ursula (Hrsg.): Das Oktoberfest 1810–2010. Offizielle Festschrift der Landeshauptstadt München, München 2010, S. 9–10).

Ein signifikanter Wandel im Erscheinungsbild stellte sich ab Mitte der 1880er-Jahre ein, denn seitdem leuchtet das Festgelände mit elektrischem Licht. Die Abb. 1 zeigt das charakteristische Lichtmeer des Oktoberfests als Nachtaufnahme. Um 1920 dienten Nachtaufnahmen elektrischen Lichts – etwa bei Alfred Stieglitz (1864–1946) Nachtaufnahmen von New York – der Demonstration technischer Mittel, sodass die Nachtaufnahme in der Tradition experimenteller Lichtfotografie eingeordnet werden kann.

Glasdia, Festwiese bei Nacht mit Beleuchtung
Abb. 1 a: München | Blick auf die festliche Beleuchtung der Oktoberfestwiese (Foto: Unbekannt), ehem. Glasdiasammlung des Kunsthistorischen Instituts der LMU, München 132/12

Festzelte, Bier und Entertainment

Ab den 1880er-Jahren nimmt das Oktoberfest zunehmend die uns heute bekannte Gestalt an: Elemente von Landwirtschaftsschau und Pferderennen weichen der steigenden Zahl von Schaubuden und großen Festzelten (Dering/Eymold 2010, S. 94). Die entsprechenden Dias zeigen die volle Hauptstraße, Attraktionen und Schaustellende, wie dressierte Kakadus, Steckerlfische und Fahrgeschäfte im Fokus. Es sind Momentaufnahmen aus der Perspektive der Besuchenden, die neben dem Geschehen auch den Biertransport und die großen Zelte der Münchner Brauereien in der damaligen Gestalt wiedergeben (Abb. 2 b). Das Interesse der Fotografien scheint neben der zum Teil klar zu erkennenden Festzeltarchitektur dem Volksgeschehen zu gelten, da besonders die lebendige Atmosphäre im Vordergrund steht (Abb. 2 a).

Zwei Glasdias nebeneinander, Szenen aus der Menschenmenge zwischen Festzelten und Buden
Abb. 2 a, b: München | Oktoberfest 1928: Blick in die Hauptstraße mit Festhalle der Augustinerbrauerei (Foto: Unbekannt), ehem. Glasdiasammlung des Kunsthistorischen Instituts der LMU, München 132/05/ München: Löwenbräufesthalle auf der Oktoberfestwiese (Foto: Unbekannt), ehem. Glasdiasammlung des Kunsthistorischen Instituts der LMU, München 132/15

Neben den Zelten und dem Münchener Bier gehören besonders die Schaustellenden und die Tracht zur traditionellen Vorstellung des Oktoberfests. Aus heutiger Sicht überraschend ist die fehlende Tracht der Besuchenden, die außerhalb repräsentativer Trachtenzüge als etablierte Kleiderordnung erst seit den 1990er- und 2000er-Jahren Einzug auf das Volksfest gehalten hat (Egger, Simone: Phänomen Wiesntracht: Oktoberfestbesucher und ihre Kleider zwischen modischer Orientierung und der Suche nach Identität, in: Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Institut für Volkskunde (Hrsg.): Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, München 2008, S. 79–95, S. 94). Einige Geschäfte und Aktivitäten, wie Hau den Lukas, Schichtls Zaubertheater (Abb. 3 a) oder Feldls Teufelsrad waren bereits in der Frühzeit des Festes vertreten. Die Attraktionen The Whip und die Szene aus dem Theaterstück Die Frau, von der man spricht! (Abb. 3 a / b), ermöglichen wiederum einen historischen Rückblick auf das Schaustellergeschehen Anfang des 20. Jahrhunderts. Zur Geschichte des Festes gehörten auch sogenannte Völkerschauen, die rassistisch-kolonialistisch motivierte Inszenierungen darboten, u. a. vom Hamburger Zoodirektor und Tierhändler Carl Hagenbeck (Tauber, Christine: Samoa auf dem Münchner Oktoberfest! Koloniale Architekturdisplays zwischen Rassismus, Schaulust und Karikatur (1885/1910), in: Michael Falser (Hrsg.): Deutsch-koloniale Baukulturen. Eine globale Architekturgeschichte in 100 visuellen Primärquellen, Passau 2023, S. 220–223, S. 220), die jedoch nicht in der Themengruppe zum Oktoberfest vertreten sind.

Zwei Glasdias nebeneinander, von zwei Attraktionen vom oktoberfest 1928
Abb. 3 a, b: München | Oktoberfestwiese: vor Schichtls Zaubertheater (Foto: Unbekannt), ehem. Glasdiasammlung des Kunsthistorischen Instituts der LMU, München 132/11, / München: Oktoberfest 1928: Die Frau, von der man spricht! (Foto: Unbekannt), ehem. Glasdiasammlung des Kunsthistorischen Instituts der LMU, München 132/08

Weshalb die Kategorien zum Oktoberfest in einer kunsthistorischen Glasdia-Lehrbildsammlung vertreten sind und wer diese für welche Zwecke genutzt hat, lässt sich nicht eindeutig klären. Wurde die Sammlung möglicherweise fachübergreifend genutzt oder im Sinne einer regional spezifisch volkskundlichen Perspektive auf Bayern ergänzt, um diese punktuell in klassisch kunsthistorischen Lehrveranstaltungen zu verwenden? Denkbar wäre jedoch auch eine Nutzung nach 1933 mit einem Schwerpunkt auf dem vorherrschenden traditionell-völkischen Kontext. Anhand einzelner Kategorien der Glasdia-Lehrbildsammlung können demnach weiterführende Fragen zur Nutzung sowie disziplinreflektierender Ansätze unter Hinzunahme der überlieferten Vorlesungsverzeichnisse abgeleitet und herausgefunden werden.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR:

JARA LAHME, B.A. ist als Hilfskraft in der Photothek des ZI tätig.

Georg Schelbert über die Dias der Münchner Kunstgeschichte

Trennung und Wiedersehen

Jahrzehntelang waren großformatige Glasdias das visuelle Medium in den Vorlesungen der Kunstgeschichte. Viele Universitätsinstitute wie in Bonn, Berlin, Frankfurt, Halle oder Hamburg besitzen solche Bestände, die bald analog zur Bibliothek Diathek genannt wurden, bis heute. In München hingegen galten sie lange Zeit als verschollen, ja gerieten völlig in Vergessenheit. Jetzt sind sie in der Photothek des ZI.

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Marta Koscielniak über das Vorher-nach?her des Rubens-Gemäldes „Helene Fourment mit ihrem erstgeborenen Sohn Frans“ aus der Alten Pinakothek im Bildarchiv Bruckmann

Die Reproduktionsfotografien des Bruckmann Bildarchivs halten historische Zustände von Kunstwerken fest, die teilweise auffallend von dem abweichen, wie wir diese Werke heute kennen. Ein besonders spektakuläres Beispiel zeigt sich in Rubens’ Bildnis seiner zweiten Ehefrau Helene Fourment mit dem gemeinsamen Sohn Frans aus der Alten Pinakothek in München.

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Franziska Lampe über die Sehnsucht nach Farbe und eine Bruckmann-Fotokampagne am Vesuv

Anfang des 20. Jahrhunderts veranlasste der Bruckmann Verlag eine Fotokampagne in den antiken Städten Pompeji, Herculaneum und Stabiae, um dort die erhaltenen Wandmalereien im fotografischen Bild festzuhalten. Konkreter Anlass hierfür waren die von Paul Herrmann ab 1904 veröffentlichten Denkmäler der Malerei des Altertums, in denen Reproduktionen der antiken Bildwerke nebst knapper wissenschaftlicher Einordnung des Archäologen als Lieferungswerk herausgegeben wurden.

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Annalena Brandt zu Stefan Moses’ Künstler machen Masken

„Niemand möchte erkannt werden, wie er wirklich ist“ wusste Stefan Moses bereits früh in seiner fotografischen Laufbahn (Günter Engelhard, Künstler zeigen ihr wahres Gesicht, in: Art 10, 2001, S. 14–27, hier S. 26). Er bat daher Künstlerkolleg*innen spontan, anschließend an offizielle Porträtsitzungen, innerhalb von fünf Minuten eine Maske zu basteln und für ihn damit zu posieren.

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Tina Sauerlaender on a pioneer of self-portraiture in computer art – Joan Truckenbrod

The term “early computer art” usually evokes abstract plotter drawings based on algorithms by scientists and mathematicians like Herbert W. Franke or Frieder Nake as well as the artists Manfred Mohr and Vera Molnár. Although computer-generated figurative imagery has been created in the 1960s and 1970s, the image editing tools emerging during the 1980s finally allowed significantly new possibilities for artists. Joan Truckenbrod was one of the first to devote her artistic practice to the subject of self-portraiture in computer art. To create her multilayered collaged works, she combined the full repertoire of the technological possibilities of her time to link the human and the machine.

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Christine Tauber zur Frage, wieso Manet die Weltausstellung von außen malte

PARISER TROUVAILLE NR. 2

Edouard Manet malte das Gelände der Pariser Weltausstellung von 1867 auf dem Marsfeld aus der Feldherrenperspektive (Abb. 1), so, als handle es sich um ein fremdes, zu eroberndes Terrain.

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Cristina Ruggero on Hadrian’s Villa: Walks with the necessary distance

The pandemic which is affecting the entire planet is changing our lifestyle and forces us to classify activities according to their level of ’necessity‘. Culture does not seem to be one of them: it is banned by fear.
The most beautiful public sites in the world – crowded before COVID-19 – have become deserted, almost ghostly places that instill anxiety. Museums, galleries, theatres, cultural institutions respond to this forced closure by challenging the ‚fear of culture‘ and promoting online events, virtual visits, weblogs, open access publications, and zoom webinars through social media.

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Nadine Raddatz über den Fotografen Ferdinand Schmidt

EIN SCHATZFUND IN DER ZI-PHOTOTHEK

Das Team der Photothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte arbeitet gegenwärtig an der Digitalisierung ihres größten fotografischen Teilbestands: die sogenannte Topografie Deutschland. Das sind Aufnahmen von Bauwerken, aber auch beweglichen Kunstobjekten alphabetisch sortiert nach Ortsnamen. Die mit Unterstützung von Google Arts & Culture gescannte Sammlung wird seit 2019 intensiv mit Metadaten erschlossen. Ein sportliches Unterfangen: mehr als 120.000 Objekte werden derzeit betrachtet und beschrieben und sollen noch dieses Jahr online gehen.

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Iris Lauterbach über die Auslagerung und Auffindung der NSDAP-Kartei vor 75 Jahren

Zwischen dem 18. und 27. April 1945 veranlasste die „Reichsleitung der NSDAP“ die Auslagerung der NSDAP-Kartei aus dem „Verwaltungsbau der NSDAP“ am Königsplatz in die Papierfabrik Joseph Wirth in Freimann nördlich von München. Durch passiven Widerstand widersetzte sich Hanns Huber, der Geschäftsführer der Fabrik, dem Befehl, die Kartei einzustampfen. Er bewahrte dieses umfangreiche Beweismaterial vor der Vernichtung und übergab es der amerikanischen Militärregierung. So rettete er diesen dokumentarischen Kernbestand, auf den die Anklage in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und die der Entnazifizierung dienenden Spruchkammerverfahren der Nachkriegszeit zurückgreifen konnten (Abb. 1). Heute ist die NSDAP-Kartei ein Bestand des Bundesarchivs in Berlin.

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Elina Meßfeldt zum „Atelier Jacobi“

INNENRAUMAUFNAHMEN MIT HUMOR

Lotte Jacobi (1896-1990) ist eine der bekanntesten deutschen Porträtfotograf*innen des 20. Jahrhunderts. In Berlin aufgewachsen, stammte sie aus einer regelrechten Fotografendynastie und übernahm 1928 das Atelier der Eltern in Berlin-Charlottenburg. Aufgrund ihrer jüdischen Abstammung wurde ihr die Arbeit während des nationalsozialistischen Regimes nahezu unmöglich gemacht, sie emigrierte 1935 nach New York, wo sie weiterhin europäische Intellektuelle und Kulturschaffende porträtierte. In den 1940er und 50er Jahren schuf sie in New Hampshire experimentelle Foto-Grafiken, die sogenannten „photogenics“, für die sie ebenfalls viel Aufmerksamkeit erlangte.

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Franz Hefele übers Fotografieren mit Max und Moritz

Max und Moritz, das sind bekanntlich Störenfriede und maliziöse Lausbuben. Als solche hatte Wilhelm Busch sie sich ausgedacht und gezeichnet. Im Jahr 1959 aber begegneten den Wirtschaftswunderdeutschen vorübergehend geläuterte Gestalten: Agfa brachte damals die Optima auf den Markt, die sogenannte „Vollautomatische“, mit der nicht weniger als eine neue Ära der Fotografie beginnen sollte (Abb. 1).

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