Ursula Ströbele über eine arbeitende Bildhauerin: Antoine Bourdelles Bronzeporträt Cléopâtre Sevastos‘

„Ich möchte, sie wären mein Sohn!“ äußerte sich Albert Wolff zu der in seinem Berliner Atelier arbeitenden norwegischen Bildhauerin Ambrosia Tønnesen (1859-1948). (Albert Wolff zitiert nach Yvette Deseyve, „Man hat in ihren Händen noch nicht den Meissel Pygmalions gesehen.“ Die Bildhauerinnen des langen 19. Jahrhunderts in der Sammlung der Nationalgalerie, in: dies./Ralph Gleis (Hg.), Kampf um Sichtbarkeit. Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919, Ausst.-Kat. Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Berlin 2019, S. 79-103, S. 85). Dieser zynische, eigentlich nobilitierend gemeinte Ausspruch ist paradigmatisch für die Zeit des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Im männlich konnotierten Medium der Skulptur unterlagen Bildhauerinnen vielfältigen Restriktionen im Hinblick auf künstlerische Ausbildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Ausstellungen und Rezeption, die unübersehbare Diskrepanzen zwischen eigener Rollendefinition und gesellschaftlicher (Alltags-)Realität zutage treten lassen. Und doch gab es zunehmend Bildhauerinnen, die in privaten Akademien und Ateliers ihrer männlichen Kollegen lernten, bis sie an den staatlichen Akademien zugelassen wurden.

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