Kartoffelsalat, Braten, Eier in Aspik: Feiern im Collecting Point

Ein Gelb eingefärbter Ausschnitt eines Tisches mit verschiedenen Gerichten darauf. Mehrere Menschen nehmen sich gerade Essen auf ihre Teller.
IRIS LAUTERBACH

Fotografische Schnappschüsse ergänzen die archivalische, schriftliche Überlieferung zum Central Collecting Point (CCP), der Kunstsammelstelle der amerikanischen Militärregierung, die nach 1945 im ehemaligen „Verwaltungsbau der NSDAP“ am Königsplatz eingerichtet wurde. Sie vermitteln einen Eindruck davon, wie sich am Collecting Point eine internationale Community im belasteten politischen Kontext auf gleichsam exterritorialem Gebiet arrangierte. Es wurde nicht nur gearbeitet, sondern auch gefeiert, gelacht, geflirtet, gegessen, getrunken und – aus heutiger Sicht auffallend viel – geraucht (Abb. 1-3). Informelle Begegnungen und Gespräche auf den Partys am Collecting Point trugen sicherlich auf die eine oder andere Weise zu Restitutionsentscheidungen bei, ohne dass wir dies heute im Einzelnen belegen könnten.

Abb. 1: „Eine der vielen Partys“ am Central Collecting Point, 1948
Abb. 2: Feier aus Anlass eines Rücktransports nach Österreich: links Evelyn Tucker, März 1948

Im Gegensatz zu manchen der amerikanischen „Monuments Men“ und „Monuments Women“ wirken die deutschen Mitarbeiter*innen des Collecting Point auf den Fotografien im Allgemeinen eher hager. Den CCP-Kuratoren Hans Konrad Röthel (1909–1982) und Karl M. Birkmeyer (1918–1982) schlottern zu weit gewordene Anzüge am Leibe (Abb. 3). Im Laufe des Jahres 1946 hatte sich im besetzten Deutschland eine wirtschaftliche Notlage und Hungerkrise entwickelt, die durch den eiskalten Winter 1946/47 weiter verschärft wurde.

Abb. 3: Feier aus Anlass eines Rücktransports nach Österreich: in der Mitte Karl Birkmeyer, rechts Hans Konrad Röthel, März 1948

Edwin C. Rae (1911–2002), zuvor Leiter der amerikanischen Kulturverwaltung für Bayern, schickte nach seiner Rückkehr in die USA im Sommer 1947 „von seinem kleinen Gehalt 20! Carepakete“ an die deutschen CCP-Mitarbeiterinnen, was diese ihm hoch anrechneten (zitiert bei Iris Lauterbach, Der Central Collecting Point in München. Kunstschutz, Restitution, Neubeginn, Berlin/ München 2015, S. 63). Noch im März 1946 zeigte der in Mailand lebende Ludwig Heinrich Heydenreich (1903–1978), dem die Direktion des neu gegründeten ZI angetragen wurde, nicht die geringste Neigung, Italien zu verlassen und seine Familie und sich selbst prekären Versorgungsverhältnissen im besetzten Deutschland aufgrund „der von Marschall Montgomery angekündigten Hungerernährung von 400–900 Kalorien“ auszusetzen (zitiert bei Iris Lauterbach, Anfänge, in: Wolfgang Augustyn, Iris Lauterbach und Ulrich Pfisterer unter Mitarbeit von Krista Profanter (Hg.), ZI 75. Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, München 2022, im Druck, S. 50). Heydenreich trat das Amt des ZI-Direktors erst 1948 an, nachdem er seit März 1947 von Wolfgang Lotz (1912–1981), vertreten worden war; in Briefen an den fernen Direktor klagte dieser über die schlechte Lebensmittelversorgung seiner Familie.

Vor diesem Hintergrund bilden die aus dem Jahr 1948 erhaltenen Party-Fotos aus dem CCP ein Schlaraffenland ab. Kein Wunder, dass Erika Hanfstaengl (1912–2003), Kuratorin am Central Collecting Point seit dessen Anfängen und seit Juni 1947 als Angestellte des Zentralinstituts für Kunstgeschichte bezahlt, sich nicht danach drängte, ihre Stelle am ZI anzutreten. Sie begründete dies unter anderem mit der besseren Versorgung am CCP, wo man höhere Lebensmittelrationen zugeteilt bekam als in deutschen Institutionen.

Der Anblick des Buffets, das aus Anlass einer Rücksendung nach Österreich im März 1948 im CCP aufgetischt wurde, lässt dem Betrachter das Wasser im Munde zusammenlaufen, auch wenn das Foto schwarzweiß ist: Fleischterrine dekoriert mit Mayonnaise, aufgeschnittener Braten und herzhaft gefüllte Windbeutel, Eier in Aspik, gefüllte Zwiebeln, Kartoffelsalat. Die in die Kamera strahlende US-Kunstschutzkommissarin Evelyn Tucker (1906–1996) und ihr Kollege hatten sich ausweislich ihrer gut gefüllten Biergläser bestens in Bayern akklimatisiert.

Prof. Dr. IRIS LAUTERBACH ist Forschungsreferentin am Zentralinstitut für Kunstgeschichte und Honorarprofessorin an der Technischen Universität München.