Hannah Goetze über Clara Erskine Clement Waters und (digitale) Nachschlagewerke gegen das Vergessen

Schwarz-Weiß Porträt einer Frau, freigestellt vor zitronengelbem Hintergrund (Clara Erskine Clement Waters).

Beim Sichten der Publikationen von Clara Erskine Clement Waters fällt ihre Vorliebe für das Handbuch und das Lexikalische auf: Neben dem Handbook of Legendary and Mythological Art (1871; im Folgenden abgekürzt als HLMA) finden sich unter anderem Painters, Sculptors, Architects, Engravers, and their Works (1874), Artists of the Nineteenth Century and their Works (1879), die dreibändigen Hand-Books of Painting, Sculpture, and Architecture (1883–86) sowie Women in the Fine Arts, from the Seventh Century B.C. to the Twentieth Century A.D. (1904) unter ihren Werken. Auch wenn die enzyklopädische Form ihre Schriften eint, verneint sie einen Anspruch auf nachschlagbare Vollständigkeit oft bereits in der Einführung: „My present limits allow but an imperfect and superficial consideration of this subject“ (HLMA, S. 1; zitiert wird nach der 14. Auflage, Boston 1881). Zu Erskine Clement Waters selbst etwas zu finden, ist dann passenderweise abermals nur über Handbucheinträge möglich, die sich auf konkrete Eckdaten ihres Lebens konzentrieren (Geburt: 1834; Tod: 1916; Heirat: 1852, mit James Hazen Clement; erneute Heirat, nach dessen Tod: 1881, diesmal mit Edwin Forbes Waters), aber jenseits der Nennung der Vielzahl ihrer Publikationen (neben den oben genannten u.a. noch ein Roman, später auch Reiseberichte) kaum auf ihr Werk eingehen.

Clara Erskine Clement Waters, in: Amy M. Von Lintel: Clara Waters and the Popular Audiences for Art History in Nineteenth-Century America, The Princeton University Library Chronicle 75(1), 2013, S. 38-64, hier: S. 43

Erskine Clement Waters’ Werk kann man schon aufgrund seiner Verkaufszahlen zur Populärliteratur zählen: 10 Jahre nach Erscheinen lag 1881 bereits die 14. Auflage des HLMA vor, dessen erste (so Amy M. Von Lintel: Clara Waters and the Popular Audiences for Art History in Nineteenth-Century America, in: The Princeton University Library Chronicle 75(1), 2013, S. 38-64, hier: S. 38) innerhalb von drei Wochen vergriffen war. Zielgruppe dieser Kunstgeschichtsschreibung waren zudem nicht, wenigstens nicht primär, akademische Kreise. Vielmehr ging es Erskine Clement Waters um ein Zugänglichmachen von Kunst in praktischem Format. Die Bezeichnung „handbook“ wörtlich nehmend, waren ihre Bücher zum Mitnehmen angedacht, für die direkte Auseinandersetzung mit dem Werk: „The elegance of the book has been subordinated to the desire to make it compact and convenient as a hand-book in travelling; this being a purpose for which it was especially written“ (HLMA, S. vi).

Zwar sind im Vorwort Quellen und Referenzen genannt, doch beruht ein Großteil der Einträge auf persönlichen Betrachtungen im Rahmen ihrer zahlreichen Reisen mehr denn auf extensiver Konsultation weiterer Literatur. Artists of the Nineteenth-Century sowie Women in the Fine Arts machen sich darüber hinaus eine sehr direkte Form der Recherche zunutze: An zeitgenössische Künstler*innen schickte Erskine Clement Waters Rundbriefe mit Bitte um Auskunft zum eigenen Leben und Werk. Wo diese nicht beantwortet wurden, steht noch im Buch unter dem jeweiligen Eintrag der Vermerk „[No response to circular]“.

Als Kunstschriftstellerin, die dezidiert ein Nachschlagewerk über Künstlerinnen erarbeitete, liegt die Vermutung eines vorhandenen feministischen Impetus nicht fern. Ihre Antwort auf Linda Nochlins Frage „Why have there been no great women artists?“ wäre zugleich weniger systemisch motiviert denn als vehementer Widerspruch formuliert: Durchaus gab es große Künstlerinnen, und zusammengetragen hat sie sie selbst in großer Zahl (560, ein Großteil davon aus dem 19. Jahrhundert, wenn der Untertitel auch eine Zeitspanne beginnend mit dem 7. Jh. v. Chr. proklamiert) in Women in the Fine Arts. Das Unterfangen, das nicht zuletzt als Beitrag für mehr Sichtbarkeit weiblichen Kunstschaffens zu verstehen ist, hätte wohl mehr Aussicht auf Erfolg gehabt, wäre Erskine Clement Waters nicht selbst in Vergessenheit geraten. In einer Rezension zu der 1967 erschienenen Wiederauflage von Women in the Fine Arts schreibt Susan E. Wyngaard: „Before writing this review I thought it wise to look up reviews of the original publication. I think I can safely say this work entered the art world practically unnoticed“ (Susan E. Wyngaard: Women in the Fine Arts by Clara Erskine Clement Waters (Review), in: ARLIS/NA Newsletter 4(2), 1967, S. 48-49, hier: S. 48).

Mehr Sichtbarkeit: Das ist auch das Ziel der in Kooperation von Universitätsbibliothek Heidelberg und ZI entstandenen Bibliographie „Frauen schreiben über Kunst“. Hierüber werden Texte von Frauen bis 1900, die über Kunst und Kunstgeschichte publiziert haben, systematisch erfasst und auffindbar. Die Bibliographie dient zugleich als digitales Repositorium, das direkten Zugriff auf zahlreiche der Publikationen erlaubt und sukzessive ergänzt wird. In den kommenden Wochen werden anlässlich der Veröffentlichung unter https://biblio.ub.uni-heidelberg.de/frauen_kunst/ ausgewählte Autorinnen und ihre Werke auf Spotlight vorgestellt.

HANNAH GOETZE, M.A., war bis August 2022 Wissenschaftliche Hilfskraft in der Direktion am Zentralinstitut für Kunstgeschichte und unter der Leitung von Ulrich Pfisterer am Projekt „Frauen schreiben über Kunst“ mitbeteiligt.

Die Bibliographie erfasst für den Zeitraum bis um 1930 systematisch Texte von Frauen, die über Kunst und Kunstgeschichte schreiben. Ziel ist es, die Schriften dieser Autorinnen nach und nach digital zugänglich zu machen. Sie sollen so im kunsthistorischen Kanon sichtbarer und leichter verfügbar werden. Zugleich werden deren Breite und Vernetzung, aber auch Hürden und Grenzen erkennbar.

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Davor freigestellt eine antike weibliche Figur.

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Viktoria Räuchle über die Bibliothek des Instituts für Klassische Archäologie an der LMU und ihre Wohltäter | Das wohl bekannteste Vermächtnis von James Loeb im altertumswissenschaftlichen Bereich stellt die im Jahr 1911 gegründete und bis heute laufende Editionsreihe Loeb Classical Library (LCL) dar, die Werke griechischer und lateinischer Autoren im…

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Viktoria Räuchle über die Bibliothek des Instituts für Klassische Archäologie an der LMU und ihre Wohltäter | Die Bibliothek des Instituts für Klassische Archäologie (LMU) ist ebenso wie die Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZI) sowie des Instituts für Ägyptologie und Koptologie, die sich gemeinsam mit den Bibliotheken des Bayerischen…

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben eine Zeile alter Noten.

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Elisabeth Moselage über die Bibliothek des Bayerischen Nationalmuseums und die Klarissenchronik | Das Bayerische Nationalmuseum (BNM), das „Schatzhaus an der Eisbachwelle“, ist eines der großen deutschen Museen zur Bildenden Kunst und zur Kulturgeschichte. Wer heute im Museum an der Prinzregentenstraße die Treppe von der Eingangshalle in den ersten Stock hinaufsteigt,…

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben freigestellt stilisierte Darstellungen von 2 fliegenden Vögel, Wellen und ein altägyptisches Ruderschiff.

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Alexander Schütze über die Bibliothek des Institutes für Ägyptologie und Koptologie an der LMU und Lepsius’ Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien | Die Bibliothek des Institutes für Ägyptologie, die sich im 2. Stock des Hauses der Kulturinstitute am Königsplatz befindet, umfasst rund 17 000 Bände zu nahezu allen Bereichen der Philologie,…

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben freigestellte Abbildungen von Skulpturen (Schiff, Tänzerin, Mann).

Sonja Nakagawa: MAIA liefert!

Maja – das ist die abenteuerlustige Biene aus der Feder Waldemar Bonsels. Maia – so hieß die Amme des Tutanchamun und ein altägyptischer Schatzhausvorsteher. Maia – das ist eine arkadische Nymphe, Geliebte des Zeus, die Mutter von Hermes. Durch Zeus an den Sternenhimmel versetzt, findet sich Maia im familiären Verbund…