Die MAIA-Bibliotheken stellen sich vor

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben freigestellt stilisierte Darstellungen von 2 fliegenden Vögel, Wellen und ein altägyptisches Ruderschiff.

Alexander Schütze über die Bibliothek des Institutes für Ägyptologie und Koptologie an der LMU und Lepsius’ Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien |

Die Bibliothek des Institutes für Ägyptologie, die sich im 2. Stock des Hauses der Kulturinstitute am Königsplatz befindet, umfasst rund 17 000 Bände zu nahezu allen Bereichen der Philologie, Archäologie und Kunstgeschichte des Alten Ägypten, darüber hinaus größere Bestände zur Koptologie und Sudanarchäologie. Sie beinhaltet neben Monografien, Kongressbänden und Zeitschriften (davon 58 als laufende Abonnements) auch zahlreiche Ausstellungs- und Bestandskataloge ägyptischer Museen und Sammlungen. Der Bestand der Bibliothek umfasst sowohl ältere Werke als auch die neueste Fachliteratur: Die zahlreichen Bände des Catalogue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire (1901– ) finden sich hier genauso wie Kenneth A. Kitchens Ramesside Inscriptions (1975– ) oder die Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts Abteilung Kairo (1930– ). Jedes Jahr kommen ca. 300 Titel hinzu, die u.a. aufgrund der großzügigen Unterstützung des Fördervereins des Institutes, des Collegium Aegyptium und der Carl Friedrich von Siemens Stiftung erworben werden können.

Die Münchener Bibliothek gehört nach Heidelberg, wo es ein eigenes Sondersammelgebiet für das Fach Ägyptologie gibt, zu den wohl am besten ausgestatteten ägyptologischen Fachbibliotheken Deutschlands und Europas, deshalb ist sie bei Gastwissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland beliebt, die hier an einem Ort sämtliche relevante Fachliteratur vorfinden und ohne größere Hürden oder lange Bestellzeiten einsehen können.

Abb. 1: Exlibris Wilhelm Spiegelbergs

Die heutige Bibliothek geht auf die Initiative Wilhelm Spiegelbergs (1870–1930) zurück, der vor genau einhundert Jahren auf den Lehrstuhl für Ägyptologie der LMU München berufen wurde und als der eigentliche Begründer des Instituts für Ägyptologie gelten darf. Davon zeugen u.a. Spiegelbergs Exlibris in der einen oder anderen älteren Publikation (Abb. 1).

Die ältesten Bestände der Bibliothek gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück; einige wenige Bücher stammen sogar aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Im Lesesaal finden sich auch einige großformatige Bildwerke, darunter die berühmte Description de l’Égypte (1809–1828) oder die Publikationen des Oriental Institute der Universität Chicago zum Totentempel Ramses’ III. von Medinet Habu (1930–1970). Solche Großformate spielen für die Veröffentlichung ägyptischer Tempel- und Grabdekorationen aber auch für Papyruseditionen nach wie vor eine Rolle. Aufgrund der Monumentalität und des Detailreichtums ägyptischer Denkmäler oder der Größe ägyptischer Papyri ist eine großformatige Wiedergabe noch immer unentbehrlich, auch wenn digitale Publikationsformen immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Abb. 2: Titelseite der Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien

Als ein illustratives Beispiel sei hier das zwölfbändige Tafelwerk Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien (1897–1913) vorgestellt, das auf die Königlich Preußische Expedition nach Ägypten und Äthiopien zurückgeht, die Carl Richard Lepsius in den Jahren 1842 bis 1845 durchgeführt hatte (Abb. 2). Im Zuge dieser Expedition, die bis nach Meroe im heutigen Sudan führte, wurden unzählige archäologische Stätten und ägyptische Denkmäler dokumentiert. Die während der Expedition angefertigten Abschriften und Abklatsche ägyptischer Inschriften dienten später dem von Adolf Erman (1854–1937) begründeten Projekt Altägyptisches Wörterbuch als eine wichtige Grundlage, um den Wortschatz des Altägyptischen zu erschließen. Nicht wenige der dokumentierten Denkmäler und archäologischen Stätten sind heute nicht mehr in dem Zustand erhalten, wie die Preußische Expedition sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts vorgefunden hatte.

Zu diesen Stätten gehört auch das Felsgrab des Bakenrenef, eines Wesirs der frühen 26. Dynastie (Psammetich I.; 664–610 v. Chr.), das sich ca. 500 Meter östlich des berühmten Pyramidenbezirks des Djoser in der Nekropole von Saqqara befindet. Das monumentale, aus mehreren Grabräumen bestehende Grab war von Lepsius 1843 aufgenommen und in den Denkmaelern veröffentlicht worden (LD Tafeln III, 259–269; LD Text I 177–181). Seit seiner Entdeckung 1820 war das Grab schweren Grabräubereien ausgesetzt, bei denen große Teile der Grabdekoration entfernt wurden. Trotz späterer Bemühungen, das Grab neu aufzunehmen, stellen die Denkmaeler noch immer die einzige umfassende Dokumentation der Grabdekoration dar. Bruckstücke dieser Dekoration gelangten in verschiedene Museen u.a. in Berlin, Chicago, Lyon, New York und Wien sowie in zahlreiche Privatsammlungen. Im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst hier in München finden sich ebenfalls mehrere Fragmente der Wanddekoration aus dem Grab des Bakenrenef. Darunter ein Fragment, das nur wenige Hieroglyphen enthält (Abb. 3). Trotz seiner Unvollständigkeit lässt sich dieses Fragment perfekt in eine der Tafeln in Lepsius’ Denkmaelern einfügen (Abb. 4).

Abb. 3:  Fragment der Wanddekoration aus dem Grab des Bakenrenef (München SMÄK AS 5875; Foto: Marianne Franke; @ SMÄK)
Abb. 4: Ausschnitt der Wanddekoration aus dem Grab des Bakenrenef in Lepsius’ Denkmaeler (Lepsius, Denkmaeler, Abt. III, Bl. 269)

Daher wissen wir, dass das Bruckstück einst zur Ostwand der vom ursprünglich hintersten Raum der Grabanlage abgehenden Nebenkammer F gehörte und Teil eines Textes war, der sich als Totenbuch-Spruch 53 identifizieren lässt. Der Spruch sollte den Verstorbenen davor bewahren, im Totenreich Exkremente essen zu müssen.

Dieses Beispiel illustriert, dass die Denkmaeler aus Aegypten und Aethiopien nicht nur einen frühen Meilenstein in der zweihundert Jahre jungen Forschungsgeschichte der Ägyptologie markieren, sondern auch heute noch von unschätzbarem Wert für die Erforschung archäologischer Stätten und Denkmäler in Ägypten und im Sudan sind.

Dr. ALEXANDER SCHÜTZE ist akademischer Rat auf Zeit am Institut für Ägyptologie und Archäologie der LMU München. Er forscht u.a. zu Verwaltungsstrukturen in der altägyptischen Spätzeit, aramäischen Textzeugnissen aus dem Ägypten der Achämenidenzeit sowie zum Ägypten-Buch in Herodots Historien. Außerdem ist er für die wissenschaftliche Betreuung der Institutsbibliothek verantwortlich.