Die MAIA-Bibliotheken stellen sich vor

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben eine Zeile alter Noten.

Elisabeth Moselage über die Bibliothek des Bayerischen Nationalmuseums und die Klarissenchronik |

Das Bayerische Nationalmuseum (BNM), das „Schatzhaus an der Eisbachwelle“, ist eines der großen deutschen Museen zur Bildenden Kunst und zur Kulturgeschichte.

Wer heute im Museum an der Prinzregentenstraße die Treppe von der Eingangshalle in den ersten Stock hinaufsteigt, den Lesesaal betritt und die Fülle an Büchern sieht, wundert sich möglicherweise, dass 1887 der damalige Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, Wilhelm Heinrich von Riehl (1823–1897), im Vorwort des Bibliothekskatalogs über die Bestände schrieb:

„Als das bayerische Nationalmuseum gegründet wurde, dachte man an keine Bibliothek. Ihren ersten Anfang verdankt sie dem Zufall; dann kamen weitere Zufälle hinzu; seltene Bücher wurden bei der Erwerbung größerer Sammlungen von Alterthümern mit in Kauf genommen, als eine Art Ballast, den man eigentlich nicht gesucht hatte.“

Heute kann von Zufall keine Rede mehr sein. Der Bibliotheksbestand ergänzt die Museumssammlungen und stellt die Literatur zu deren Erforschung bereit. Die wissenschaftliche Spezialbibliothek umfasst ca. 100 000 Bände zur Kunst- und Kulturgeschichte Europas, zur bayerischen Landesgeschichte und zur Alltagskultur, vom Mittelalter bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Durch regen Schriftentausch mit Museen in Deutschland und der Welt gehört eine große Anzahl an Ausstellungskatalogen und Museumskatalogen zum Bestand. Wichtige Zeitschriften der Kunstwissenschaften und der Volkskunde / Kulturwissenschaften werden ebenso gesammelt, in vielen Fällen seit ihrem Erscheinungsbeginn im späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert. Der ebenfalls schon seit einem Jahrhundert aufgebaute Bestand an Auktionskatalogen stellt insbesondere für die Provenienzrecherche eine wertvolle Quelle dar.

Beim Neubau des BNM an der Prinzregentenstraße, eingeweiht 1900, war die „zufällige“ Bibliothek bereits zu einer so umfassenden Forschungs- und Handbibliothek der Konservatoren geworden, dass sie einen eigenen, heute noch zu bewundernden, repräsentativen Bibliothekssaal (Abb. 1a/1b) erhielt. Inzwischen ist ein weiterer Lesesaal dazugekommen (Abb. 2).

Durch die Sammeltätigkeit des Museums in seinen Anfängen (1855 gegründet) gehören neben der modernen Fachliteratur außerdem eine ganze Anzahl mittelalterlicher Handschriften, früher Drucke sowie Drucke des 16., 17. und 18. Jahrhunderts zum Bestand der Bibliothek. Auch diese sind für Forschende verfügbar. Ein großer Teil dieses wertvollen Altbestands stammt aus der Privatsammlung des Bamberger Kunstsammlers und Bibliothekars Joseph Martin von Reider (1793–1862), die 1859 mit der Unterzeichnung eines Leibrentenvertrags in die Sammlung des Münchener Museums überführt wurde.

Aus dieser Sammlung stammt auch die Chronik der Nürnberger Klarissen, die im BNM unter der Inventarnummer Bibl. 1191 verwahrt wird. Sie wurde von den dortigen Klosterfrauen unter der Leitung der Äbtissin Caritas Pirckheimer (1467–1532) für ihre eigene Gemeinschaft verfasst. Der Einband der deutschsprachigen Pergamenthandschrift, die um das Jahr 1500 entstand, besteht aus einer wiederverwerteten Notenhandschrift, ebenfalls aus Pergament (Abb. 3). Es handelt sich bei diesem Exemplar um die deutsche Reinschrift; im Staatsarchiv Nürnberg befinden sich zwei weitere erhaltenen Fassungen: die deutsche sowie die lateinische Konzeptfassung (Rep. 5a Nr. 1 / Rep. 5a Nr. 2). 2012 wurden die drei Fassungen von einer Gruppe Studierender teileditiert, quellenkritisch untersucht und unter dem Titel „Schreib die Reformation von Munchen gancz daher“ veröffentlicht (Schreib die Reformation von Munchen gancz daher. Teiledition und historische Einordnung der Nürnberger Klarissenchronik (um 1500), hg. von L. Vosding (Quellen und Forschungen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg, 37), Nürnberg 2012).

Seite aus einem sehr alten Buch. Handbeschrieben.
Abb. 3: Seite der Nürnberger Klarissenchronik, Reinschrift, um 1500, Bayerisches Nationalmuseum (Inv. Nr.: Bibl. 1191) | Foto: Elisabeth Moselage
Mit Pergmanet eingebundenes Buch. Das Pergament ist mit alten Noten beschrieben worden.
Abb. 4: Einband der Nürnberger Klarissenchronik, Reinschrift, um 1500, Bayerisches Nationalmuseum (Inv. Nr.: Bibl. 1191) | Foto: Elisabeth Moselage
Kleine Tafel mit reingeschnitztem Motiv. Biblisches Motiv. Auferstehung Christi
Abb. 5: Auferstehung und Himmelfahrt Christi, sog. Reidersche Tafel, um 400, Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr.: MA 157, CC BY-NC-ND 4.0
 

Übrigens: Auch in der Museumsausstellung finden sich Objekte aus der Reider`schen Sammlung – an dieser Stelle sei auf die äußerst eindrucksvolle sogenannte „Reidersche Tafel“ (um 400) verwiesen, eine 18,7 cm hohe und nur 6 bis 7 Millimeter starke Elfenbeintafel mit der Darstellung der Auferstehung und Himmelfahrt Christi (Abb. 5).


Dipl. Bibl. (FH) ELISABETH MOSELAGE ist die stellvertretende Leiterin der Bibliothek des Bayerischen Nationalmuseums.

Info

Die Präsenzbibliothek steht neben den Beschäftigten des Museums allen Interessierten zur Verfügung. Die Bestände sind in einem Online-Katalog erfasst und können über www.maiaresearch.org recherchiert werden.
Die Benutzung der Bibliotheksbestände im Lesesaal der Bibliothek ist nach Anmeldung montags bis freitags möglich. Kontaktaufnahme telefonisch (089 21124 318) oder per E-Mail (bibliothek@bayerisches-nationalmuseum.de) möglich.