IRIS LAUTERBACH
1937 fand im nördlichen Lichthof des „Verwaltungsbaus der NSDAP“, der im Februar des Jahres bezogen worden war, die erste Weihnachtsfeier statt (Abb. 1). Im Lichthof und in den Galerien standen in Reih und Glied uniformierte und zivile Mitarbeiter*innen des Reichsschatzmeisters Franz Xaver Schwarz (1875–1947). Uniformierte patrouillierten in den Galerien, wo die festlich gekleideten Angestellten brav aufgereiht warteten.
Die Dienststelle des Reichsschatzmeisters hatte innerhalb des Parteiapparats und der in zahlreichen Gebäuden in der Maxvorstadt angesiedelten „Reichsleitung der NSDAP“ zentrale Bedeutung. 1937 belief sich die Zahl seiner Angestellten auf etwa 1700 (Bernhard Schäfer: Die Dienststellen der Reichsleitung der NSDAP in den Parteibauten am Münchner Königsplatz, in: Iris Lauterbach u.a.: Bürokratie und Kult. Das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München, München 1995, S. 97). Viele von ihnen dürften an der Feier teilgenommen haben, bei der Schwarz von der „parteiliturgisch“ ehrenvollsten Position des Gebäudes aus eine per Lautsprecher übertragene Ansprache hielt: Im ersten Obergeschoss, in der Mittelachse des Lichthofs war vor dem Büro des Reichsschatzmeisters (heute Raum 148a) das Rednerpult aufgestellt. Da der Lichthof mit Hunderten von Menschen gefüllt war, dürfte die Akustik besser und Schwarz‘ Ansprache besser verständlich gewesen sein als bei leerem Lichthof.
Seit 1947 hat das ZI seinen Sitz im ehemaligen „Verwaltungsbau der NSDAP“. Das Institut erhielt nie eine reguläre Erstausstattung. Wie auch der Central Collecting Point, die Kunstsammelstelle der amerikanischen Militärregierung, hatte sich das ZI im historischen Gebäude zu arrangieren und musste Teile der vorhandenen Ausstattung übernehmen. Dies scheint innerhalb der ersten ZI-Generation noch weitgehend widerspruchslos akzeptiert worden zu sein. Erst nachdem Willibald Sauerländer (1924–2018) 1972 die Direktion des ZI von Gründungsdirektor Ludwig Heinrich Heydenreich (1903–1978) übernommen hatte, wurde der Wunsch deutlicher, eine Distanzierung von der Architektur des Gebäudes zu erzielen, etwa mit neuem Mobiliar nach dem großen Umbau der Bibliothek 1986 bis 1988 (vgl. Iris Lauterbach: Umgang, in: Wolfgang Augustyn, Iris Lauterbach und Ulrich Pfisterer unter Mitarbeit von Krista Profanter (Hg.): ZI 75. Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München, München 2022, S. 341-362, im Druck). Da das Gebäude seit 1979 unter Denkmalschutz steht, verbleiben lediglich Möglichkeiten einer immateriellen, die architektonische Substanz nicht beeinträchtigenden Distanzierung. So spielte zur Wiedereröffnung der Bibliothek im August 1988, nach anderthalb Jahren der Schließung, im Großen Lesesaal eine Band auf (Abb. 2), was im ZI offenbar als befreiend empfunden wurde.
Zur Feier seines 50-jährigen Bestehens und erneut 2017 entstanden im ZI Kunstwerke, die auf verschiedene Art auf die Architektur reagierten (vgl. die Beiträge von Michael F. Zimmermann und Ursula Ströbele in: ZI 75, im Druck). Am 14. März 1997 fand im nördlichen Lichthof ein großes Jubiläumsfest statt, zugleich Abschlussempfang des XXIV. Deutschen Kunsthistorikertags. Zu diesem Anlass wurde auch Craig Hugh Smyth (1915–2006) gewürdigt, der erste Direktor des Central Collecting Point und Mitbegründer des ZI, der bereits 1995 im ZI einen Vortrag gehalten hatte (Abb. 3, vgl. Craig Hugh Smyth: The Central Art Collecting Point in Munich, Passau 2022).
Im Lichthof war eine Leuchtstele von Andreas Horlitz aufgestellt; eine Lichtinstallation von Steven Scott tauchte den Lichthof in wechselnde Farbklänge (Abb. 4). Die von der Band „Funkability“ (Abb. 5) musikalisch nicht nur unterlegte, sondern dominierte Party wurde zum vermutlich ausgelassensten Fest in der 75-jährigen Geschichte des ZI. Und so schrieb die Kritikerin Ira Mazzoni in ihrem Kommentar zum 50. ZI-Jubiläum: „Kunsthistoriker verstehen zu feiern. Und sie können tanzen. […] Der martialische Lichthof hatte sich in eine fröhliche lärmende Disco verwandelt.“ (Ira Mazzoni: Vom Sammelpunkt zum Forschungszentrum. Zentralinstitut für Kunstgeschichte feiert seinen 50. Geburtstag, in: Süddeutsche Zeitung, 19.03.1997, S. 16)
Prof. Dr. IRIS LAUTERBACH ist Forschungsreferentin am Zentralinstitut für Kunstgeschichte und Honorarprofessorin an der Technischen Universität München.
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