Die MAIA-Bibliotheken stellen sich vor

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Davor freigestellt eine antike weibliche Figur.

Viktoria Räuchle über die Bibliothek des Instituts für Klassische Archäologie an der LMU und ihre Wohltäter |

Die Bibliothek des Instituts für Klassische Archäologie (LMU) ist ebenso wie die Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZI) sowie des Instituts für Ägyptologie und Koptologie, die sich gemeinsam mit den Bibliotheken des Bayerischen Nationalmuseums und des Museums fünf Kontinente zum MAIA-Verbund zusammengeschlossen haben, im Haus der Kulturinstitute untergebracht. Das ursprünglich als Parteizentrale der NSDAP dienende Gebäude war zwischen 1933 und 1936 auf dem Gelände des kurz zuvor abgerissenen Palais Pringsheim errichtet worden, das dem jüdischen Mathematiker Alfred Pringsheim und seiner Frau Hedwig, den Schwiegereltern Thomas Manns, gehört hatte. Nach dem Kriege richtete die US-amerikanische Militärregierung hier den „Central Art Collecting Point“ für die Rückführung der von den Nazis erbeuteten Kunstwerke ein, aus dem bereits 1946 das ZI hervorgehen sollte. Betritt man heute den großen Lichthof mit seinen roten Bodenplatten aus Saalburger Marmor und den monumentalen Pfeilern aus Solnhofener Platten, steht man in einem Wald von Abgüssen antiker Skulpturen, die zum Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke (MFA) gehören. Das MFA ging aus der Lehrsammlung des Instituts für Klassische Archäologie hervor, dessen in den Kriegswirren auf gerade einmal zwölf Objekte dezimierter Bestand bereits 1949 hier untergebracht wurde. Inzwischen gehört die Sammlung mit ihren rund 2.000 Abgüssen wieder zu den größten Museen dieser Art in Deutschland. Die strahlend weißen Gipse können (und sollen) die dunkle Vergangenheit des Bauwerkes freilich nicht übertünchen, stehen aber dennoch emblematisch für die Nutzung des Baus in der Gegenwart.

Unsere Bibliothek befindet sich im 2. Stock des Gebäudes und umfasst derzeit etwa 46.000 Bände. Sie gehört damit zu den bestausgestatteten Fachbibliotheken im deutschsprachigen Raum. Jährlich wächst der Bestand um durchschnittlich etwa 500 Monographien sowie 130 Zeitschriftenbände und 99 laufende Abonnements. Die Fachliteratur wird dabei in ihrer gesamten Breite abgedeckt, wobei der Schwerpunkt traditionell auf der antiken Bildwissenschaft und insbesondere auf der Skulpturforschung liegt. Der rege Ankauf von Publikationen wäre heutzutage nicht ohne die Herbert Lutz Gedächtnis Stiftung möglich, die 1958 von dem deutschen Publizisten Hermann Lutz und seiner amerikanischen Frau Marguerite Lutz Voorhees im Andenken an ihren früh verstorbenen und einzigen Sohn Herbert (1911–1929) ins Leben gerufen wurde. Herbert Lutz wollte schon seit dem Kindesalter Archäologe werden, war aber 1929 mit nur siebzehneinhalb Jahren an Typhus gestorben. Heute kommt sein Vermächtnis der Lehre und Forschung an unserem Institut zugute. Alle Bücher, die aus Mitteln der Stiftung erworben wurden, tragen im Innern des Einbandes ein Etikett mit der Mosaikdarstellung der Megalopsychia, der Personifikation der Großherzigkeit (Abb. 1).

Abb. 1: Logo der Herbert Lutz Gedächtnis Stiftung. Mosaik mit Darstellung der Megalopsychia aus Antiochia am Orontes

Neben der Stiftung Lutz gab und gibt es jedoch weitere Förderer unserer Bibliothek. Auch James Loeb, der US-amerikanische Mäzen mit deutsch-jüdischen Wurzeln, dem das ZI jährlich einen Festvortrag und ein Stipendium widmet, war mit dem Institut für Klassische Archäologie sowie dessen Bibliothek eng verbunden. Harald Schulze hat in einem 2018 erschienenen Band zum „Sammler und Mäzen in München, Murnau und weltweit“ hierzu wissenswerte Informationen zusammengetragen: Im Jahre 1906 war Loeb unter anderem auch deshalb nach München gezogen, um Vorlesungen des damaligen Lehrstuhlinhabers Adolf Furtwängler zu besuchen. Dazu wird er kaum Gelegenheit gefunden haben, denn nur ein Jahr später erlag der berühmte Archäologe der Ruhr, die er sich bei seinen Grabungen auf Ägina zugezogen hatte. Für die großzügige Summe von 280.000 Goldmark erwarb James Loeb von der mit vier Kindern zurückgebliebenen Witwe das Furtwängler’sche Wohnhaus samt wissenschaftlichem Nachlass und Privatbibliothek und stiftete einen Großteil der Bücher dem Seminar für Klassische Archäologie, das inzwischen von Paul Wolters geleitet wurde. In einem Brief an Salomon Reinach äußert sich Loeb dazu folgendermaßen: „Have I told you that a considerable part of Prof. Furtwängler’s library, which I bought in toto last year, is going to Harvard College as a gift? Another part about 600 volumes, of the choicest, I am retaining for my own shelves and the balance – rather the largest share I am giving to the library of the Gypsmuseum here. Of course Wolters and his colleagues are very much pleased, as that library lacks many of the most important works“. Die Schenkung ist in den Inventarbüchern der Bibliothek unter den Nummern 2072–2350 aufgeführt (Abb. 2).

Abb. 2: Inventar der Bibliothek II, 2001–3600, S. 206
 

In Loebs Besitz blieben neben etwa 600 Bänden für seine eigene Sammlung auch etwa 7.000 von Furtwängler eigenhändig beschriftete Fotografien sowie etliche Zettelkästen mit den Notizen des prominenten Wissenschaftlers. Letztere wurden wenige Jahre später dem in Rom lebenden Privatgelehrten Friedrich Hauser übersandt, dem Loeb (notabene gegen Bezahlung) die Herausgabe des wissenschaftlichen Nachlasses von Furtwängler übertragen hatte. Als dieser nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 zunächst fluchtartig seine Wohnung in Rom verlassen hatte und drei Jahre später unverrichteter Dinge in Baden-Baden gestorben war, finanzierte Loeb die Überführung von Hausers Nachlass nach München: Dem Testament des Privatiers entsprechend wurde seine Bibliothek dem archäologischen Institut vermacht, das seinen Buchbestand damit um weitere 4.500 Bände bereichern konnte. Der wissenschaftliche Nachlass Furtwänglers gelangte vermutlich wieder in Loebs Besitz, doch leider verlieren sich die Spuren an dieser Stelle. Es würde kaum Wunder nehmen, wenn sie eines Tages in den Kellerräumen unseres Hauses auftauchten, die schon so einige Überraschungsfunde bereithielten.

Das Vermächtnis James Loebs prägt noch immer viele Bereiche der Forschung und Forschungsstruktur, es hat auch das Institut für Klassische Archäologie der LMU und seine Bibliothek entscheidend geprägt. Im zweiten Teil des Beitrags (am 8.12.2023) wird erzählt, wie unsere Forscherinnen und Forscher bis heute auf den Spuren des großen Mäzens wandeln.

Dr. VIKTORIA RÄUCHLE ist akademische Rätin auf Zeit am Institut für Klassische Archäologie der LMU München und für die wissenschaftliche Betreuung der Institutsbibliothek zuständig.

Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben freigestellte Abbildungen von Skulpturen (Schiff, Tänzerin, Mann).

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Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben freigestellt stilisierte Darstellungen von 2 fliegenden Vögel, Wellen und ein altägyptisches Ruderschiff.

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Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Zwischen den Buchstaben eine Zeile alter Noten.

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Schwarzer Schriftzug "MAIA" vor zitronengelbem Hintergrund. Davor freigestellt eine antike weibliche Figur.

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