„Im Jahre 1822 trat ich meine Reise nach Rom an, allwo ich mich zehn Jahre aufhielt […]. Hier waren unter den Lebenden mir besonders interessant der Dichter und Maler Müller, der Tyroler Koch und der Landschafter Reinhart.“
(Lionel von Donop, Buonaventura Genelli und die Seinen. Manuskript in neun Partien mit Ergänzungen von Werner Teupser. Geordnet, aufgearbeitet und in Maschinenschrift erfasst durch Hans Ebert. Leipzig 1958. V/1, fol.1)
– schrieb Bonaventura Genelli (auch Buonaventura; 1798 Berlin – 1868 Weimar) rückblickend über seinen Aufenthalt in Italien, dem Land seiner Vorfahren. Mit allen dreien pflegte Genelli einen freundschaftlichen Umgang – und verewigte sie in verschiedenen Karikaturen. Zwei von diesen Karikaturen, die sich heute in der Sammlung des Dresdner Kupferstich-Kabinetts befinden, sollen hier näher betrachtet werden.
Bei seiner Ankunft in Rom fand der junge Genelli, Absolvent der Berliner Kunstakademie, auf Empfehlung seines Onkels bei dem damals bereits über 70-jährigen Johannes Friedrich Müller eine Unterkunft. Müller, auch Maler Müller oder Teufelsmüller genannt, war einst als malende und dichtende Ausnahmeerscheinung nach Rom gekommen, hatte sich jedoch bald mit seinen Gönnern zerstritten und lebte nun in ärmlichen Verhältnissen. Schon bald nach dem Einzug kam es jedoch aufgrund des großen Altersunterschieds zum Zerwürfnis. Wahrscheinlich entstand deswegen Ende 1822 oder Anfang 1823 die erste Version der Karikatur, die Genelli später noch mehrmals wiederholen sollte. Zu sehen ist das Gesicht Müllers im Profil; mit einem Lorbeerkranz gekrönt blickt er lächelnd in die Ferne (Abb. 1). Die später von fremder Hand hinzugefügte Inschrift „Koch laureatus“ ist falsch (vgl. Hans Ebert, Über Buonaventura Genellis Karikaturen zu Maler Müller, Joseph Anton Koch und Wilhelm Waiblinger im Dresdener Kupferstich-Kabinett und anderswo, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Band 17, Dresden 1985, S. 117-132, hier S. 118). Genelli macht Müller zu einem „poeta laureatus“ – und sich gleichzeitig über dessen künstlerischen Misserfolg lustig.
Im Gegensatz zu Müller wurde Joseph Anton Koch als „Erneuerer der Landschaftsmalerei“ (vgl. ebd. S. 120) gefeiert und trotz seiner Exzentrik von der Künstlergemeinschaft in Rom sehr geschätzt. Auf einer von Genellis Karikaturen sehen wir Koch (links im Bild) gemeinsam mit dem Maler Müller (dem Betrachter den Rücken zuwendend, ohne Kopfbedeckung), Johann Christian Reinhart (ganz rechts, stehend) und dem Landschaftsmaler Johann Martin von Rohden in einer römischen Osteria (Abb. 2).
Der Text dazu (der diesmal von Genelli stammt) lautet:
„Koch – Ich bin ein Genie! Die Welt ist verpflichtet, mich zu ernähren!
Reinhart – Werden Sie endlich aufhören von Genie zu reden, oder ich werde Ihnen sagen, was ich bin!
Maler Müller – Heiliger Gott! Solche Kerle in meiner Gegenwart von Genie zu reden!
Rohden – Ich sage weiter nichts, als der liebe Gott ist in den Schwachen mächtig!
Ein Kellner – E viva il nostro Musju Cocholi!“
Gemeinsam haben Genellis Karikaturen, dass sie mehr wie Spötteleien im Bekanntenkreis mit anekdotenhaftem Charakter wirken, als wirklich sarkastisch-ironisch oder verletzend zu sein, wie es oft für Karikaturen üblich ist. Seine künstlerische Bestimmung fand Genelli nach seiner Rückkehr aus Rom vor allem als Illustrator, wobei seine Zeichnungen zu Dantes Göttlicher Komödie zu seinen bekanntesten Werken zählen.
JULIA VIEHWEG, M.A. ist Mitarbeiterin der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte.
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