„It is as though time were telescoped.“ Krista Profanter über La Monte Youngs Trio for Strings (1958)

Freigestelltes schwarz-weißes Porträt eines Mannes vor zitronengelbem Hintergrund. Auf dem Porträt steht "La Monte Young. TRIO FOR STRINGS".
Herzog Franz von Bayern zum 90. Geburtstag

Unter der Signatur D2-You 406/35 R wird im Rara-Magazin der Bibliothek des ZI ein seltenes Exemplar von La Monte Youngs 1958 komponiertem Trio for Strings (Abb. 1) verwahrt, das heute als ein zentrales Werk der Minimal Music gilt.

Foto. Porträit von dem Komponisten La Monte Young.
Abb. 1: Titelblatt von La Monte Youngs Trio for Strings (1958), Fluxus Editions (George Maciunas, New York), 1964. Offsetlithografie, 19,2 x 20,8 x 0,2 cm.
(ZI, Bibliothek, Signatur: D2-You 406/35 R)

Der US-amerikanische Komponist und Performance-Künstler (*1935), der sich Anfang der 1960er Jahre der Fluxus-Bewegung angeschlossen hatte, trug durch seine experimentelle Herangehensweise, seine Suche nach erweiterten Klangmöglichkeiten und seinem Verständnis von Musik als Prozess und Erfahrung maßgeblich zur Entwicklung neuer künstlerischer Ausdrucksformen bei. Wesentliches Merkmal des Stücks für Violine, Viola und Violoncello ist der zeitbezogene Aspekt – es besteht fast ausschließlich aus minutenlang invariabel gehaltenen Einzeltönen und Akkorden, die mit sehr langen Pausen alternieren (Abb. 2). Die Reduktion auf wenige Töne und eine extrem graduelle zeitliche Ausdehnung verbinden sich zu einem quasi statischen, entwicklungslosen Zustand – „It is as though time were telescoped“, wie Young selbst dazu bemerkte (La Monte Young: How Time Passes. Remembering Stockhausen, in: Artforum, März 2008, S. 312–317).

Foto eienr Seite aus der Partitur zu"Trio for Strings" von La Monte Young
Abb. 2: Das Trio for Strings zeichnet sich durch extrem lang und unverändert gehaltene Töne und Pausen aus. (ZI, Bibliothek, Signatur: D2-You 406/35 R)

Young orientierte sich in seiner richtungweisenden Komposition an der Zwölftonmusik Arnold Schönbergs (1874–1951) und den ‚statischen‘ Aspekten im Spätwerk Anton Weberns (1883–1945). Darüber hinaus setzte er sich in jener Zeit intensiv mit Dauertönen in der außereuropäischen Musik auseinander.

Erst kürzlich war diese musikalische Rarität im Rahmen des Kammermusikfestivals „Musica+“ in Frankfurt zu hören, aufgeführt nach dem im Bestand des ZI vorliegenden Notenmaterial. Die Partitur ist Teil einer 2010 erfolgten Schenkung von Herzog Franz von Bayern, der dem ZI seit vielen Jahren als großzügiger Förderer verbunden ist. So übergab er dem ZI 2009 seine umfangreiche Privatbibliothek zur Kunst des 20./21. Jahrhunderts, die die Grundlage des am ZI eingerichteten Studienzentrums zur Kunst der Moderne und Gegenwart bildet, sowie ergänzend dazu 2010 eine Sammlung von Künstlerbüchern bzw. Editionen von Künstlerpublikationen, die überwiegend im Zusammenhang mit der Münchner Galerie Fred Jahn stehen (>>). Fred Jahn war es auch, der La Monte Young und dessen Frau, die Künstlerin Marian Zazeela (*1940), im Sommer 1969 in München für die Galerie Heiner Friedrich betreute, wo die beiden erstmals ihr immersives Sound & Light Environment Dream House zeigten (>>). Und so trägt das Exemplar des Trio for Strings in der Bibliothek des ZI auf der ersten Seite auch eine handschriftliche Widmung von Young und Zazeela an Gisela und Fred Jahn: „To Fred + Gisela 25 VIII 69 Love Marian La Monte“ (Abb. 3).

Foto: Detail aus dem Notenexemplar mit handschriftlicher Widmung. Titne auf bräunlichem Papier.
Abb. 3: Das Exemplar von La Monte Youngs Trio for Strings (1958) im ZI enthält eine handschriftliche Widmung an Gisela und Fred Jahn: „To Fred + Gisela 25 VIII 69 Love Marian La Monte“. (ZI, Bibliothek, Signatur: D2-You 406/35 R)

Die 16 ungezählten, gehefteten Seiten im Format von 19,2 x 20,8 cm wurden in Offsetlithografie gedruckt und sind vorne und hinten jeweils von einem Transparentpapier mit einem Foto des Komponisten eingefasst. Das Trio for Strings wurde 1964 in New York in der Reihe der Fluxus Editions von George Maciunas (1931–1978), dem Initiator der Fluxus-Bewegung, herausgegeben. In welcher Auflage das Stück verbreitet war, ist unbekannt. Neben dem Exemplar des ZI ist heute lediglich ein weiteres in einer öffentlichen Sammlung, im Museum of Modern Art, New York (Inv.-Nr. 2858.2008), bekannt. Darüber hinaus sind die gleichen Noten allerdings auch Teil des von Maciunas konzipierten und zusammengestellten Künstlerbuchs Fluxus 1 aus dem Jahr 1964, das als Year Box verschiedene Beiträge von Fluxus-Protagonisten versammelt.

Wie das Werk entstanden ist und aufgeführt wurde, erfahrt Ihr in zwei Tagen (30.Juni 2023) im zweiten Teil!

KRISTA PROFANTER, M.A. ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Kunstgeschichte.

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